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  Wir wenden uns 
  nun einigen archäologischen Funden zu, die teils erst vor wenigen Jahren 
  gemacht wurden. Das hohe Alter dieser Fundstücke und ihre Art sind derart 
  sensationell, dass sie für mich eine Schlüsselstellung bei der Entwicklung 
  meiner Theorie betreffend die Anfänge des Schamanismus einnehmen. 
  
  1. Die ‚Venus 
  von Berekhat Ram’ –  800.000 bis 220.000 v. Chr. 
  
  
  
   Diese 
	menschenähnliche Figur wurde im Jahre 1981 bei Ausgrabungen in Berekhat 
  Ram auf den Golanhöhen (Israel) entdeckt. Sie ist bloß 
  35 mm lang und weist drei Vertiefungen auf, die offenbar durch einen 
  scharfkantigen Stein eingekerbt wurden. Mikroskopische Untersuchungen haben 
  erwiesen, dass bei dieser Proto-Skulptur gewisse von der Natur 
  vorgegebene Formähnlichkeiten durch gezielte Bearbeitung verstärkt wurden 
  und deshalb eine rein natürliche Entstehung auszuschließen ist. Das Alter 
  dieses Fundstückes wird auf eine Zeit 
  zwischen 800.000 und 220.000 vor Chr. datiert. 
  Damit ist diese Figur das älteste Fundstück menschlicher Kunst überhaupt. Sie 
  entstand in einer relativ späten Periode der Altsteinzeit, die als Acheuléen 
  bezeichnet wird. Und gerade daraus ergibt sich die hochinteressante Einsicht, 
  dass NICHT der Homo sapiens ihr Schöpfer gewesen sein kann, SONDERN 
  dessen Vorfahre, der HOMO ERECTUS.  
  
  2. Die ‚Venus 
  von Tan-Tan’ –  500.000 bis 300.000 v.Chr. 
  
  
  
   wurde im Jahre 1999 in Marokko gefunden. Dabei handelt es sich um ein 
  figurines, künstlich hergestelltes Objekt, das ebenfalls aus der oberen 
  Altsteinzeit zwischen 500.000 und 300.000 vor Chr. stammt. Das Objekt ist etwa 
  6 Zentimeter lang und weist eine menschliche Gestalt mit differenzierten 
  Formen auf, welche Kopf, Nacken, Arme und Beine andeuten. Die ersten 
  Untersuchungsergebnisse wiesen darauf hin, dass dieses Objekt durch 
  natürliche geologische Prozesse und einem Minimum an menschlicher Bearbeitung 
  entstanden sei. Aber es fanden sich auch Beweise dafür, dass diese kleine 
  figurine Statue bemalt worden war. Man fand heraus, dass sich eine ölige 
  Substanz an der Oberfläche jenes Objektes befand, die sowohl Eisen, als auch 
  Mangan enthielt. Diese Tatsache ließ ungeachtet der näheren Umstände seiner 
  Entstehung erkennen, dass jenes Objekt dekoriert und als Figur auch verwendet 
  worden sein musste. Bei der ‚Venus von Tan-Tan’ handelt es sich um den 
  ältesten bekannten Versuch des Menschen, eine Skulptur nach seinem Ebenbild 
  zu schaffen. 
  
  
  3. Dekorierte Steine in der Blombos Höhle (Südafrika) – etwa 70.000 v.Chr. 
  
  
  
   Diese Entdeckungen haben die gesamte Kunstgeschichte 
	verändert. Es wurden 
  Steine gefunden, die mit komplexen, geordneten, roten Mustern dekoriert worden 
  waren. Dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass bereits der frühe Homo 
  sapiens zur Abstraktion und auch zur Herstellung von Kunstwerken fähig 
  gewesen ist. Jene eindrucksvollen Arbeiten stammen aus einer Epoche, die etwa 
  70.000 Jahre zurück liegt.  
  
  
  4. Die ‚Maske von La Roche-Cotard’ – etwa 33.000 v.Chr. 
  
  
  
   Dieses 
	künstlich hergestellte Objekt wurde im Jahre 2002 vor dem Eingang
  der Grotte von La Roche-Cotard am Ufer der Loire in 
  Frankreich gefunden. Datiert wurde der 
  Fund auf etwa 33.000 Jahre vor heute oder noch älter ins Paläolithikum 
  hinein. Dabei handelt es sich um einen flachen, dreieckigen Feuerstein von 
  etwa 10 cm Durchmesser, der zum oberen Teil eines Gesichtes geformt wurde. Die 
  Augen dieser menschlichen (oder tierischen) ‚Maske’ wurden durch ein Stück 
  Gebein angedeutet, das durch eine natürlich entstandene Höhlung geschoben 
  wurde. Es wird angenommen, dass der Stein 
  bearbeitet wurde, um ihm das Aussehen eines Antlitzes zu verleihen.
  
  
  Der Fundort, dh die Grotte, diente als Unterkunft. Es wurden darin auch andere 
  menschliche Hinterlassenschaften gefunden. Als Hersteller der ‚Maske von La 
  Roche-Cotard’ gilt der Neandertaler. Damit bestätigt dieser Fund, 
  dass die Neandertaler, welche etwa 30.000 vor Chr. aus unbekannten 
  Gründen ausgestorben sind, bereits eine sehr ausgefeilte und kompliziertere 
  künstlerische Tradition entwickelt hatten. 
  
  
  Ausgestattet mit diesem Wissen über die stammesgeschichtliche Entwicklung 
  unserer Spezies und über die vor kurzer Zeit gemachten archäologischen Funde, 
  werden wir im nächsten Abschnitt versuchen, eine neue Theorie bezüglich des 
  Alters des Schamanismus zu entwickeln. Diese ist approximativ, dh sie versteht 
  sich als bloße Annäherung an den wahrscheinlichen Zeitpunkt seines ersten 
  Auftauchens.  
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