Wenn alles Sein nach den ewig
gültigen Gesetzen des Hermes
Trismegistos dem Prinzip der Polarität unterliegt und Ausdruck dieses Prinzips
ist, dann muss es auch eine Polarität der Polarität geben.
Und wenn es zutrifft, was uns die jüdische Geheimlehre der
Kabbala mit der Glyphe des sogenannten "Baum des Lebens" lehrt und Laotse im
Tao Te Thing, nämlich, dass mit der Zahl Eins auch die Zahl Zwei in Existenz
treten muss, - womit die Polarität geschaffen ist -, und diese Zwei wiederum -
in Verbindung mit der Eins - die Drei hervorbringen und aus letzterer
schließlich die Vielheit - die zehntausend Wesen - emanieren, dann
ist die Polarität der Polarität die Einheit.
Die Polarität der Polarität ist jenes Wesen, das die Religionen
"Gott", die chinesischen Philosophen "Tao", die Hindus "Brahman", die jüdische
Kabbala "Ain Soph Aur", und die Balinesen "Ida Sang Hyang Widhi Wasa" nennen. Es
ist der 'Unmoved Moder', das 'Tat Tvam Asi', das 'Ich-bin-der-ich-Bin', das ich
das allumfassendes Bewusstsein nenne.
Die Polarität der Polarität ist das Eigenschaftslose, das
Unbeschreibliche, das Numinose, das Alles-in-Einem ist. Sie ist das All-Mächtige,
das All-Wissende und All-Gegenwärtige; sie ist das Alles-in-Einem-Sein...
Das Gesetz des
Ausgleichs
Die Kräfte, die eine Polarität bilden, befinden sich scheinbar
ständig in einem hegemonialen Kampf. Ihr Gleichgewichtszustand ist somit labil
und dynamisch.
Einmal ist es das Yin, das die Oberhand für sich beansprucht
und scheinbar auch erhält. Die Ausdehnung der Vormachtstellung des Yin, ist
aber nicht von Dauer, denn das Gesetz des Ausgleiches, die Balance,
verlangt, dass das labile dynamische Gleichgewicht zwischen beiden Kräften
stets erhalten bleiben muss.
Dies erkennt man sehr schön am bekannten chinesischen Symbol
des Tai Chi. In einem Kreis, sind Yin und Yang als Polarität dargestellt; die
eine Kraft weiß, die andere schwarz. Sie befinden sich in einem immerwährenden
labilen und dynamischen Gleichgewichtszustand.
Noch bevor die eine Polarität
Yin ihre maximale Ausdehnung und Vormacht über die andere Polarität erlangt
hat, wird der Impuls zur Peripetie, zum Umschwung zur gegensätzlichen Kraft
(Yang), der selbst ein Teil der Yin-Kraft ist, ausgelöst. Der Impuls für den
Kräftewechsel ist im Symbol des Tai Chi in der Form eines kleinen Kreises
dargestellt, und zwar in der Farbe, die der gegensätzlichen Kraft (Yang)
zugeordnet ist.
Die polare Kraft, Yin, das weibliche Prinzip, erreicht also
ihre maximale Ausdehnung und triumphiert scheinbar über das Yang, das
männliche Prinzip. Aber bereits bevor Yin seinen Höhepunkt im ewigen 'Kampf'
der Polaritäten erreicht, das heißt bevor das Weibliche seine maximale Macht
über das Männliche erlangt hat, wird der Impuls zum Umschwung ausgelöst. Die
gegensätzliche Yang-Kraft, wird dadurch zur langsamen Ausdehnung veranlasst.
Und wieder sieht es im Ablauf der Zeit so aus, als würde in der
Folge nun das männliche Prinzip, die Vorherrschaft über das weibliche erlangen.
Doch das Schicksal von Yin muss auch das Yang ereilen, da dies vom Prinzip
des Ausgleichs der polaren Kräfte zur Aufrechterhaltung des Weltgeschehens
im 'Schöpfungsplan' so vorgesehen ist.
Die Balance zwischen beiden Polen muss angestrebt, und das
labile dynamische Gleichgewicht zwischen den polaren Kräften muss
aufrechterhalten werden...
Auch Weltreiche, Hochkulturen und ganze Völkerschaften sind
diesem Prinzipien unterworfen. Nach den Wirkungsweisen dieser Prinzipien
erblühten sie und nach denselben Wirkungsweisen waren sie dem Untergang
geweiht.
Einst hochstehende Kulturen, wie die römische vor mehr als 2000
Jahren, wurden in der Blüte ihrer kulturellen Entwicklung von primitiven
Stämmen im Zuge der Völkerwanderung unterworfen. Andere, wie die Hochkultur
der Atlanter, wurden durch tektonische Umwälzungen völlig ausgemerzt.
Das Rad des Lebens dreht sich unentwegt, und es gibt keinen
Stillstand. Nichts ist von Dauer, weder auf dieser Welt, noch im Universum.
Alles unterliegt dem steten Wandel und der permanenten Veränderung. Auf die
Nacht folgt notwendig der Tag und auf die Sorge, notwendig die Freude. Auf
Gesundheit folgt Krankheit, und auf das Leben muss notwendig der Tod folgen...
Wir haben nun die wichtigsten hermetischen
Grundsätze verstanden. Damit haben wir alle Voraussetzungen geschaffen, die
es uns ermöglichen werden, die esoterische Botschaft des zweiten
Teiles des zweiten hermetischen Gesetzes zu verstehen, auf die ich
im nächsten Artikel dieser Serie zurück komme.
|