An manchen Wegen auf Bali kann man ein schmales,
hässlich
aussehendes, zeltähnliches Gebilde sehen, das meist aus Bambusästen
errichtet und mit einem Netz bedeckt ist. Dieses Objekt wird magagabag
genannt. Man findet es nur an mysteriösen Orten. Nächtens brennt eine
Laterne darin, und einige Personen halten dort für mehrere Tage Nachtwache.
An solchen Orten wurde menschliches Blut vergossen: ein Unglücksfall - meist
ein Verkehrsunfall - hatte sich dort vor kurzem ereignet…
Wenn nun ein Leyak - die balinesische Bezeichnung für
Hexe, Hexer oder Schwarzmagier - Zugriff zu menschlichem Blut
bekommt, dann kann daraus ein schwerer Schaden für den Verunglückten
entstehen. Daher muss der Unfallort bewacht werden. Das Netz soll eine Art
magisch wirkende Barriere darstellen. Sein Maschengitter hat sehr viele
"Einlasspforten" und gerade das soll den Leyak verwirren. Auf diese
Weise soll es ihm
verunmöglicht werden, an das menschliche Blut heranzukommen....
Zum besseren Verständnis
Obwohl es in der balinesischen Kultur unterschiedliche
Bezeichnungen für die Bereiche Sekala (die sichtbare Welt) und Niskala
(die unsichtbare Welt) gibt, findet eine
Unterscheidung zwischen dem Weltlichen und Religiösen oder dem Natürlichen
und Übernatürlichen im Alltag der Balinesen nicht statt. Für Balinesen können Niskala-Kraefte in ihrer
täglichen Routine jederzeit ein- oder
auftreten. Umschreibt man die Bereiche Sekala und Niskala in etwas
abgewandelter Form, dann ist Sekala all dem gleichzusetzen, was wir mit
unseren Sinnen wahrnehmen können: mit dem also, was man sehen, hören,
riechen, schmecken und angreifen kann.
Niskala hingegen, steht für jenen Bereich, der dem
Menschen grundsätzlich nicht in die Sinne fällt, sondern nur außersinnlich,
vermittels Intuition, im Traum oder in tiefer Meditation ins Bewusstsein
tritt.
Im Leben der Balinesen spielt Niskala eine weitaus
bedeutendere Rolle als wir uns dies im Westen heute noch vorstellen können.
Doch ist die unsichtbare Welt auch auf jener Schamaneninsel stets eine sehr
persönliche Angelegenheit, und es ist daher geradezu unmöglich, sie objektiv
zu beschreiben.
Jeder Versuch, die eigenen subjektiven Erfahrungen mit der
Welt Niskala und ihren Kräften mit anderen auszutauschen, erscheint
einem Balinesen als geradezu leichtsinnig. So werden Urlauber aus dem Westen
auch keine Silbe über 'Black Magic' zu hören bekommen, und dies nicht nur
deshalb, weil den Balinesen ihr Skeptizismus sehr gut bekannt ist. Ein
Balinese wird solche Dinge für gewöhnlich nicht einmal vor seinen Freunden
erwähnen. Das Mitteilen von subjektiven Erfahrungen, die die Sphäre
Niskala betreffen, wird von den Inselbewohnern stets als eine persönliche
Schwächung erlebt. Überdies ist das Magische stets präsent auf Bali: ein
Schwarzmagier könnte sich ja in Hörweite aufhalten und das Gehörte dazu
einsetzen, um Schaden zu stiften. Aus diesen Gründen gilt vielen Balinesen
bereits das bloße Denken an übernatürliche Phänomene als riskant.
Die balinesische Religionsphilosophie, eine auf dieser Welt
einzigartige Verbindung von Hinduismus und Animismus, basiert auf dem Prinzip,
dass jeder guten, positiven und konstruktiven Kraft eine gegenläufige, böse,
negative und destruktive gegenüber steht.
Diese beiden Pole sind untrennbar miteinander verbunden, sie
bedingen einander und müssen deshalb auch notwendig miteinander koexistieren.
Vorzugsweise befinden sie sich in einem dynamischen Gleichgewichtszustand, so
dass kein Pol über den anderen die Oberhand bekommt (vgl. dazu auch das Yin
und Yang der Taoisten).
Die hauptsächlichen Bemühungen des balinesischen Hinduismus
sind daher darauf ausgerichtet, einen Ausgleich zwischen positiven und
negativen Kräften herbeizuführen. Ausgeglichenheit und Balance oder das
Herstellen von Harmonie sind religiöse Zielsetzungen, die
von den Balinesen angestrebt und erreicht werden sollten.
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