Wir
erwähnten bereits die
Repräsentanten schamanischer Tradition und Magie auf Bali: den Balian und
den Dukun. Die erste Bezeichnung entstammt der balinesischen Sprache, dem
Bali,
zweitere ist der Landessprache Bahasa Indonesia entlehnt. Die Bezeichnung 'Balian'
stellt einen Gattungsbegriff dar. Es gibt sohin verschieden Gruppen von
Schamanen auf der Insel, die so bezeichnet werden.
Baliane
sind traditionelle Heiler oder Schamanen, bisweilen aber auch gefürchtete
Magier. Ihre Tätigkeiten beziehen sich im allgemeinen auf das Heilen, auf
Séancen, in denen sie als spirituelle Medien fungieren, und auf die
Prophezeiung (Divination).
Im
besonderen werden aber die Fähigkeiten mancher Baliane auf diesem
'zauberhaften'
Eiland auch noch zu ganz anderen Zwecken eingesetzt. Dabei geht es teils um
die Abwehr magischer Flüche von einer solchen Person, die einer gezielt gegen
sie gerichteten, magischen Attacke ausgesetzt ist, teils aber auch um die
schwarz-magische Durchführung einer solchen Verwünschung.
Ich werde immer wieder gefragt, wie man denn auf Bali Schamane werde. Nun,
dazu ist einer der nachfolgend skizzierten Wege zu beschreiten:
a)
Tradierung:
Balinesische
Schamanen haben ihre Kenntnisse teils von einem Familienmitglied erworben,
welches zu Lebzeiten selbst die Funktion eines Balians ausgeübt
hatte. Damit sind sie einer sittlichen Regel gefolgt, wonach zumindest ein
Familienmitglied eines balinesischen Schamanen nach dessen Tod die
spirituelle Funktion des Verstorbenen als Balian fortzusetzen hat.
Wird dieses Sittengesetz missachtet, dann brechen über die betreffende
balinesische Familie regelmäßig zahlreiche Krankheits-, Unfalls- und
Unglücksfälle herein, die erst dann ganz plötzlich ein Ende finden, wenn jener
Tradition entsprochen wurde.
b) Spirituelle Suche:
Teils haben sich aber die auf Bali praktizierenden
Schamanen aus eigenem Antrieb auf eine spirituelle Suche begeben und bewusst
an der Ausbildung ihrer schamanischen Fähigkeiten gearbeitet. Dabei haben sie
ihren Willen durch monatelang andauerndes Puasa (Fasten) geschult, haben
während dieser Zeit die heiligen Lontars (Bücher mit heiligen Texten auf
Palmblättern geschrieben) studiert und nächtelang in entlegenen Berg- oder
einsamen Dschungeltempeln meditiert. Sie haben Zwiesprache mit ihren Göttern
und den Dämonen gehalten, deren Zahl auf Bali Legion ist. Ida Sang Hyang Widhi Wasa, dem obersten göttlichen Prinzip des balinesisch-hinduistischen
Pantheons, wurden während dieser spirituellen Suche unzählige Gebete und
Opferungen dargebracht, auf dass ER einen Teil seiner Kraft und Macht in sie
einströmen lasse, und sie damit zu schamanischer Heilung und Divination
befähigen möge.
c)
Berufung:
Ein weiterer Teil der
Anwärter auf den Status eines
balinesischen Schamanen hat seine Fähigkeiten ganz plötzlich und unerwartet,
während einer langwierigen, meist lebensbedrohenden Erkrankung erworben (Berufungskrankheit).
Während einer ernsthaften Erkrankung befindet sich der Mensch bisweilen in
einer Situation, die uns an Agonie erinnert. Seine Lebenskräfte ziehen sich
aus dem fiebergeschüttelten Körper zurück, und das 'Silberband',
wie es in manchen esoterischen Geheimorden des Westens genannt wird, das auch
diesen geschwächten Körper noch immer an das Allbewusstsein anschließt und
auf diese Weise am Leben erhält, wird während der akuten Phase der Erkrankung
- wie beim Vorgang des Sterbens - immer dünner. Der Dahinsiechende hat dabei
lebhafte Träume und Visionen, die sich mit lichten Intervallen abwechseln. Er
spricht dabei meist wirr, in unverständlichen oder unzusammenhängenden
Satzfragmenten.
Beim Eintritt des Todes 'reißt' diese 'Silberschnur',
und die fluidale Verbindung zwischen Körper und Bewusstsein wird dadurch
irreversibel abgebrochen; beim Leichnam treten daher binnen kurzer Zeit die
ersten Anzeichen der Verwesung und des progressiven Zerfalls auf. Gerade
dieser Vorgang tritt natürlich im Falle der Genesung eines Todkranken nicht
ein. Vielmehr nimmt diesfalls der Bewusstseins- und Lebensstrom, der seit
alters von Hellsichtigen als silberfarbiges Band ('Silberschnur') wahrgenommen
wird, in seiner Breite und Dichte wieder zu, wobei auch der geschwächte Körper
zunehmend erstarkt.
Es ist ein sehr bekanntes
Phänomen, dass Nahtoderlebnisse beim Betroffenen oftmals einen umfassenden
Persönlichkeitswandel auslösen können. Das weitere Leben nimmt nach der
Gesundung des Todkranken ganz plötzlich und unerwartet eine radikale Wende,
die sowohl vom Betroffenen selbst, als auch von seiner vertrauten Umgebung als
eine Art Neubeginn oder 'Wiedergeburt' erlebt und interpretiert wird.
Und
genau das geschah auch bei jenem Teil der Baliane, bei denen das Durchleiden
einer schweren Krankheit die innere Erfahrung der Gewissheit ihrer Berufung
zum Schamanen ausgelöst hat.
Nachdem dieser 'Ruf' einmal
vernommen und akzeptiert wurde, ist die 'göttliche Fügung' bereitet: ihre 'Kanäle' sind
'gegraben' -
die synaptischen Verbindungen in ihrem Zentralnervensystem sind hergestellt.
Ab nun werden die künftigen Baliane und Dukuns als
schamanische Heiler, schamanische Trance-Medien oder Weißmagier für Ihre
Landsleute arbeiten und ihrer Gemeinschaft wertvolle und unverzichtbare
Dienste mittels der von ihnen erlangten spirituellen Fähigkeiten erweisen.
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