In Fortsetzung von Teil 1
und 2 dieser Serie beleuchten wir hier die Fähigkeiten bestimmter
balinesischer Schamanen vor dem Hintergrund ihrer Gruppenzugehörigkeit:
Balian Baica
gründet seine magische Praxis auf den Besitz einer machtvollen
Reliquie, welche zum heiligen Familienbesitz solcher Baliane gehört. Eine
solche Reliquie mag ein magisch geladener Kris oder Keris sein (magisch
geladener balinesischer Dolch mit schlangenförmig geschwungener Klinge), oder ein
Stück magisch
geladenes Gewand oder Stoff, eine besondere Maske oder Statue, von der macht-
und kraftvolle Wirkungen ausgehen. Diese magischen Kräfte oder Energien
können durch die richtigen Mantras und Opferungen auf Patienten übertragen
werden und Heilung bewirken.
Balian Apun & Balian Uat
Schamanen der Gruppen Balian Apun und Balian Uat (auch Balian Urat
genannt) gründet ihre
Praxis auf bestimmten schamanischen Massagetechniken.
Baliane,
welche solche Techniken praktizieren, dürfen keinesfalls mit gewöhnlichen
Masseuren verwechselt werden, von denen es eine große Zahl auf Bali gibt.
Diese Schamanen verbinden die physikalische Aktivität der Massage mit bestimmten
Niskala-Handlungen, um auf die unsichtbaren, in der Welt Niskala vorherrschenden, mystischen
Kräfte und Energien durch Gebete und Mantras einzuwirken.
Gewöhnliche Masseure werden hingegen bloß mit den profanen
Sekala-Aspekten dieser Tätigkeit in Verbindung betrachtet, welche der
sichtbaren Welt angehören.
Der Name Balian Urat (oder Balian Uat) stammt von dem
weitläufig bekannten Konzept betreffend
die Existenz von fluidalen 'Kanälen' oder Energiebahnen, die auf Bali 'uat' oder
'urat' genannt
werden. Diese laufen durch den menschlichen
Körper und verbinden diesen in all seinen Teilen mit dem Chakrensystem.
Chakren oder Chakras sind Energie-Foci, die dem Hellsichtigen in unterschiedlichen
Farben erscheinen und sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen. Diese
Energiepunkte generieren ein Energiefeld, das vom menschlichen Körper
ausstrahlt. Im Westen verwenden wir die Bezeichnung 'Aura' dafür.
Durch die obgenannten
Kanäle (Uat oder
Urat) fließen verschiedene fluidale Energien, welche die Lebenskraft (Prana)
auf den physischen Körper übertragen
und Abfallprodukte entsorgen. Blut ist eine dieser fluidalen Substanzen, aber
es gibt noch andere. Ein solcher 'Kanal' muss nicht unbedingt hohl sein.
Jede linienförmige Struktur kann ein Uat sein, zB. auch die Struktur einer
Sehne oder eines Nervs.
Die Grundlage der Massagetechnik eines Balian Uat besteht darin,
gekrümmte Kanäle (Uat) seiner Patienten neu auszurichten bzw. zu strecken,
Klumpen oder andere Hindernisse in ihnen zu entfernen und so den Fluss der
Lebenssäfte
und Lebensenergien zu stimulieren, damit der Körper gesunden und sich wieder
normal entwickeln kann.
Die Ursachen jeder Krankheit sowie das nicht richtige Zusammenspiel von
Körperorganen, Schmerzen, Steifheit, Sterilität, Unwohlsein etc. werden auf
Bali stets einer
ungenügenden oder unzureichenden Zirkulation jener Lebenssäfte und fluidalen
Lebensenergien zugeschrieben.
Balian Kebal
werden jene Schamanen genannt, welche sich darin spezialisiert
haben, magische geladene Paraphernalien sowie magisch geladene Amulette,
Talismane, Ringe und Wanddekorationen herzustellen oder Kenntnisse von
magischen Flüchen haben oder über bestimmte Zauberkräfte und Zaubermittel verfügen.
Diese
Baliane sind auch die Hersteller von Liebestränken, die
dafür bekannt sind, dass sie die Mädchen aus der Haut fahren lassen, und das
Geld der Burschen oder Männer in die Taschen von Prostituierten. Baliane
der Gruppe Kebal können auch bestimmte Zeichnungen herstellen,
welche in der vom Schamanen genannte Weise verwendet werden müssen, um sich vor spirituellen Angriffen zu
schützen.
Überall auf der Insel ist bekannt, dass durch 'fremdartige', von einem Balian schwarz-magisch
imprägnierte Objekte, wenn diese von einem Feind in den Schrein
seines Opfers gelegt werden, große Probleme für letzteres verursacht werden
können. Der Besitz von bestimmten Sachen, die einst ein Teil des Opfers
gewesen sind (z.B. der Besitz eines Haares, ein abgeschnittener Fingernagel
oder eine Fotografie des Opfers), bieten eine sehr effektive Möglichkeit, um
letzterem Leid durch magische Flüche oder Verwünschungen zuzufügen.
Die Liste der magischen Utensilien solcher Baliane ist beinahe endlos. Sie verkaufen unter anderem
auch besonders wirksame magische Steine, welche von den Erwerbern in einem
Ring am Finger getragen werden. Solche Steine sind oft nicht besonders schön,
aber jeder Balinese, der sie sieht, erblickt darin etwas besonders Macht- und
Kraftvolles. Dem Erwerber wird vom Balian Kebal oftmals für den Krankheitsfall
geraten, diesen Ring mit dem Stein in ein Glas Wasser zu legen und dieses
zu trinken, was zu einer sofortigen Linderung der Erkrankung und zu
einer baldigen Genesung beitragen soll.
Balian Taus
sind primär Geistesmedien.
Sie
werden in Anspruch genommen wegen einer großen Zahl von Anliegen, aber
gewöhnlich handelt es sich um ein Problem, das mit einer Krankheit und dem
Wunsch zusammenhängt, mit einer bestimmten Gottheit oder mit einem bestimmten
Geist zu kommunizieren, der entweder die Ursache der Erkrankung beseitigen
oder eine zielführende Kur vorschlagen kann.
Die Ursache einer solchen Erkrankung ist oft ein Fluch, der von
einem Feind aus Eifersucht, Gier oder Leidenschaft bei einem schwarzmagisch
operierenden Schamanen in Auftrag gegeben wurde. Manchmal handelt es sich aber
auch um einen göttlichen Fluch, der wegen einer untauglichen Opferung oder
Zeremonie gegen das Opfer gerichtet wurde, oder weil es eine bestimmte
Achtsamkeit oder bestimmte Zeremonien missachtet hatte.
Balian Taksu
Die Menschen auf Bali hören für gewöhnlich von einem Balian
Taksu von einem Freund oder Verwandten. Diese Baliane sind ihren Klienten
meist nicht von früher bekannt. Umgekehrt ist das natürlich nicht der Fall
bei solchen Schamanen, deren Profession in der Massage oder im Einrichten von
Wirbeln und Gelenken besteht oder die sich als Hebammen betätigen.
Und
natürlich trifft dies auch nicht auf jene
Baliane zu, die die
verschiedenen 'Rites of Passage - Zeremonien' der Balinesen bestimmen
bzw. durchführen oder die einen günstigen Termin für bestimmte
Unternehmungen festlegen. In all den letztgenannten Fällen ist der Balian immer eine im
Dorf bekannte Person, die gerne ins Haus der Familie kommt und den die Familie
vielleicht schon seit sehr langer Zeit kennt und zu Rate zieht.
Ein Balian Taksu macht hingegen keine Hausbesuche. Menschen, die ihn konsultieren wollen,
müssen oft eine lange Reise in Kauf nehmen, um zu seinem Haus zu gelangen.
Dazu ist es erforderlich und wichtig, zuvor einen dafür günstigen Tag zu
bestimmen.
Einige Baliane Taksu praktizieren an bestimmten Tagen nicht;
zB an Pasah, dem ersten Tag der "Dreitagewoche". Baliane Taksu sind
häufig
Frauen. Sie ziehen ihre Klienten durch Mundpropaganda an. Selbst dann, wenn
Klienten große Sorgen haben, müssen sie oft Stunden warten bis ihnen eine
Konsultation ermöglicht wird.
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