Ich
lebe nunmehr seit vielen Jahren auf BALI und verbrachte hier längere Zeit im
Familiencompound meiner balinesischen Ehefrau.
Der Hof ihrer Großfamilie befindet sich im Dorfe Sanur, das etwa 20 km vom
Flughafen und etwa 10 km von der Hauptstadt Balis, Denpasar, entfernt ist. Das
Dorf ist durch die vom Süden in den Norden führende Hauptstraße, Jalan By
Pass Ngurah Rai, in zwei Hälften geteilt. Fährt man auf der Hauptstraße
Richtung Norden, dann liegt zur Rechten der Strand von Sanur mit der für den
gehobenen Tourismus erschlossenen Region. Zur Linken befindet sich jener Teil
Sanur, in dem fast nur Einheimische wie Ketuts Familie leben. In diesem Teil
des Dorfes haben sich das ursprüngliche Leben auf Bali sowie die
traditionelle balinesische Kultur weitgehend unverändert bis auf den heutigen
Tage bewahrt.
Das Dorf Sanur ist auf der ganzen Insel Bali bestens bekannt.
Von den Inselbewohnern außerhalb Sanurs, wird unser Dorf als 'angker
berbahaya' bezeichnet, was soviel wie 'hochgradig gefährlich' bedeutet.
Jeder Balinese weiß, weshalb gerade dieser Ort jene
Bezeichnung verdient: Sanur ist - neben Ubud und Singaraja im Norden - das
eigentliche Zentrum für schwarzmagische Operationen auf der Insel der Götter
und Dämonen...
Die Familie
meiner Frau betreibt auf deren Grundstück einen kleinen
Warung, eine Art Shop, der den bei uns im Westen schon beinahe ausgestorbenen
Greisslerläden nicht unähnlich ist. Die Einheimischen können dort Dinge für
ihren täglichen Bedarf erwerben oder kleinere balinesische Gerichte und
Imbisse verzehren.
Eines Abends saß ich auf der Bank vor dem Warung und
beobachtete das Leben und Treiben der Einheimischen.
Nachdem eine ältere Frau den Laden betreten hatte, bemerkte
ich, dass augenblicklich eine auffällige Änderung im Verhalten der
Familienmitglieder eingetreten war. Alle wirkten urplötzlich verängstigt und
besorgt. Bewegung kam in den kleinen Raum. Die Kleinkinder wurden hinaus in
den Innenhof geführt und - wie sich später herausstellte - in Sicherheit
gebracht. Die offen gelagerten Speisen wurden zugedeckt. Die
Familienmitglieder, die mit mir auf der Bank saßen oder im Warung arbeiteten,
waren kurz nachdem die Alte eingetreten war verschwunden. Die einheimischen
Kunden und Freunde der Familie, die tagtäglich einige Stunden vor jenem
Warung ihre Zeit mit Tratsch und Unterhaltung zubringen, verabschiedeten sich
noch schnell unter einem Vorwand und waren dahin.
Etwa eine halbe Minute nach dem Erscheinen jener alten
Balinesin, waren nur mehr Ketuts Mutter und ich zugegen, alle anderen (etwa 15
Personen) waren verschwunden.
Erst nachdem die Alte von Ketuts Mutter bedient worden war und
den Warung verlassen hatte, wagten sich die Familienmitglieder wieder in den
Laden, und es folgte eine Phase aufgeregten Gedankenaustausches, der für
Balinesen völlig untypisch ist.
Natürlich wollte ich wissen, was passiert war, und meine
Ketut weihte mich später unter vorgehaltener Hand ein, dass die Alte ein
dorfbekannter Leyak sei und als solcher schon sehr viel Unheil
gestiftet hätte.
Kinder der Familie seien allein durch ihren Blick erkrankt.
Eine ihrer Cousinen hätte einen langandauernden Hautausschlag im Gesicht
bekommen, nachdem die Alte einmal deren Gesicht berührt hätte.
Ketut erzählte mir auch, dass einer ihrer
Brüder, der selbst als weissmagisch
operierender Schamane auf die Abwehr von Leyaks und deren gefährlichen
Schadenszauber spezialisiert ist, jene Alte sogar einmal bei ihren Umtrieben
zu Kejang Kliwon überrascht hätte…
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