Heute, am 7. März 2008, ist
der Tag des balinesischen Neujahrs, Nyepi genannt, einer der wichtigsten
religiösen Feiertage auf der Götterinsel.
Obwohl
wir heute den 7. März 2008 nach dem im Westen gültigen Gregorianischen
Kalender schreiben, ist dieser Tag im balinesischen Saka-Kalender mit 7. März
1930 benannt.
Bei dem in jeder balinesischen
Familie vorzufindenden Saka Kalender handelt es sich um einen hinduistischen
Mondkalender, der seinen Ursprung in Südindien hat. Er entstand während einer
Zeit, in der ein Herrscher mit dem selben Namen in dieser Region an die Macht
kam.
Nach dem Saka-Kalender endet
jeder der 12 Mond-Monate an einem Neumond, der auf Bali 'Tilem' genannt wird.
Das neue Jahr beginnt nach dem
Saka-Kalender immer einen Tag nach jenem Neumond, der den 9. Mond-Monat
vollendet. Dieser Tag fällt nach dem Gregorianischen Kalender meist in den
Monat März.
Der Kalender selbst beginnt
sein numerisches System mit der Saka-Ära in Indien. Da der Stamm des
Herrschers Saka - es wird vermutet, dass es sich um Skythen handelte - im Jahr
78 n. Chr. gemäß dem Gregorianischen Kalender in dieser Region an die Macht
kam, ist das numerische System des Saka-Kalenders um 78 Jahre hinter dem des
gregorianischen. Es soll
hier angemerkt werden, dass es nicht unüblich für frühe Kalendersysteme
war, das Neujahr in den Monat März zu verlegen.
Am 21. März tritt die Sonne in das erste
Tierkreiszeichen, den Widder, ein. Dieser Tag wird als Frühlingsäquinoktium
bezeichnet, jene Tagundnachtgleiche, die den Frühlingsbeginn einläutet und
damit auch das Erwachen alles Lebendigen aus der Kälte und Öde des Winters.
Obwohl es auf Bali keinen
Winter gibt, haben einige Teile Indiens dennoch Jahreszeiten, und der
Saka-Kalender stammt von jenem Subkontinent.
Auch der Gregorianische Kalender
weist mit einigen seiner Monatsnamen darauf hin, dass irgend wann vor seinem
Inkrafttreten, das Neujahr im Monat März angesiedelt gewesen war. Obwohl der
Oktober unser 10. Monat ist, der November der 11. und der Dezember der 12.,
sind die Namen dieser Monate der lateinischen Sprache entlehnt und bedeuten
soviel wie der Achte, Neunte und Zehnte. Diese Bezeichnungen stammen aus jener
frühen Zeit, in der das Neue Jahr auch im Westen zu einer Zeit begonnen hatte,
die wir nunmehr mit März bezeichnen.
Wie bereits eingangs gesagt, ist heute der Tag
des balinesischen Neujahrs, der auf Bali 'Nyepi' genannt wird. Und dieser Tag
ist ein ganz besonderer Tag für die Balinesen.
Das Neue Jahr wird auf Bali mit
einem Tag und einer Nacht der vollkommener Stille begonnen. Nyepi ist der
Meditation, des Fastens, des In-sich-Gehens, der Reflexion und Kontemplation
gewidmet. Am Vortag es Nyepi werden zahlreiche Opferungen dargebracht, um die
bösen Geister und Dämonen - auf Bali 'bhutas' und 'kalas' genannt - zu
besänftigen und dadurch die Balance zwischen Gut und Böse wieder
herzustellen. Am Tag und
in der Nacht des Nyepi gibt es keinen Verkehr auf den Straßen und kein
Flugzeug landet am Airport. Alles steht still auf Bali. Überall herrscht Ruhe,
Stille und Eintracht, die nur von den Lauten der Natur, vom Gezwitscher der
Vögel, dem Gekreische der Affen und dem gelegentlichen Bellen der Straßenhunde
unterbrochen wird.
Den Balinesen ist es an ihrem
Neujahrstag, Nyepi, nicht gestattet, ihren Familiencompound zu verlassen.
Musik und Fernsehen sind ebenso verboten, wie das Verwenden einer Lichtquelle,
denn dieser eine Tag und diese eine Nacht im Jahr sind auf Bali der
Beschaulichkeit und der Selbstreflexion gewidmet. Auch Touristen dürfen zu Nyepi
ihr Hotel nicht verlassen, denn die Tradition hat auf Bali Vorrang.
Die Einhaltung der Verbote des Ausgehens und der Verwendung von Lichtquellen aller
Art wird am Tage und in der Nacht des Nyepi von eigens dazu abgestellten
Patrouillen streng kontrolliert. Wenn diese während der Neujahrsnacht eine
Lichtquelle entdecken, dann wird sofort mit einer starken Taschenlampe eine
Warnung an die Menschen in diesem Hause gegeben. Wird darauf nicht reagiert,
dann kommt es gar nicht selten vor, dass ein Stein die Fensterscheibe des
Hauses zerbricht, in dem diese alten sittlichen Normen verletzt wurden.
Im Zusammenhang mit dem Neujahrstag, steht ein
weiteres Brauchtum, das auf Bali 'Ogoh-ogoh' genannt wird. Dieses findet am
Vorabend des balinesischen Neujahrs statt und ist ein Riesenspektakel.
Das
Brauchtum des Ogoh-ogoh ist ganz den Dämonen auf Bali gewidmet. In wochenlanger
Vorbereitung fertigen die Balinesen kunstvolle, übermenschengroße Figuren
hässlich aussehender Dämonen aus Pappkarton an. Diese werden in der Nacht
vor dem Neujahrstag auf Bambusbarren durch die Straßen getragen. Viele
Jugendliche beteiligen sich am Ogoh-ogoh. Sie tragen den von ihrem Banjar (kleinste
Verwaltungseinheit auf Bali) beigestellten Dämon aus Pappkarton auf
Bambusgestellen durch Sanurs Hauptstraße Jalan By Pass Ngurah Rai.
Tausende Menschen sind in der
Nacht des Ogoh-ogoh auf der Straße, um das gespenstisch anmutende Treiben der
von den verschiedenen Banjars beigestellten, hässlichen Dämonen-Figuren zu
beobachten.
Etwa
15 bis 20 solcher Figuren haben wir an diesem Abend in Sanur allein. Das Ganze
mutet wie eine Prozession der Boshaftigkeit und Hässlichkeit an. Die Fratzen
der riesigen Dämonen-Figuren übertreffen einander an übelwollender
Hässlichkeit.
Wenn man aber in die Gesichter der Partizipanten an dieser
schauerlichen Prozession blickt oder in jene der Zuschauer, dann sieht man
darin Begeisterung und Freude, Heiterkeit, Lust und Unterhaltung.
Am Tage des Ogoh-ogoh werden auf Bali die Dämonen und bösen Geister
besänftigt. Manche sehen den Zweck dieses
Brauchtums darin, dass durch jene Prozession des Schreckens die 'bhutas' und 'kalas'
- die bösen Mächte und Dämonen - auf die vielen Opferungen aufmerksam
gemacht werden sollen, die man ihnen an diesem Tage bereitet hat. |