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Schamanismus - Der Begriff
von Dr. Friedrich Demolsky

Exkursion in die Semantik

Der Begriff 'Schamanismus' kommt aus der Sprache des sibirischen Volkes der Tungusen und bedeutet 'Zauberer', 'Beschwörer' und 'Tänzer'.

Buddhistische Mönche haben dieses Wort nach Sibirien gebracht. In der Sprache Pali wurden jene Mönche als 'samana' bezeichnet. Dieses Wort geht auf die Sanskritwurzel 'sramana' (Asket, Übender) zurück. Und sramana hat das Verb sram zur Wurzel, was 'üben', 'anstrengen', 'sich erhitzen' bedeutet. 'Ashram' ist verwandt damit, ein Ort, an dem strenge Übungen vorgenommen werden.

Die Überlieferungen der Schamanen haben im Laufe der Jahrtausende viele Sinnbilder, Mythen und Rituale herausgebildet, und deshalb begegnen wir Europa und Asien dem Wotan/Odinkult sowie dem Shivaismus.

Wotan, der Herr des Zaubers und der Geister, ist ein alter Schamanengott. Sein Name ist verwandt mit ‚Wut’ – dh mit innerer Erhitzung, Rausch, Begeisterung, Ekstase. Er berauscht seine Anhänger und entbindet sie den Bürden der Welt. Er ist der Gott der Berserker, die sich dem Kampfesrausch hingeben; er ist Gott der Dichter und Sänger sowie der Mutigen und Verwegenen. Als Met-Trinker ist er Herr des Rausches, Herr des Übertretens und der Trance.

Odin reitet den achtbeinigen Schimmel Sleipnir, der mit der Totenbahre gleichgesetzt wird. In der Trance erstarrt man wie im Tode und in der Ekstase verkehrt man mit Geistern und den Toten. Odin hing am Lebensbaum und wurde dadurch Herr der Runenweisheit. Er ist auch Herr der Heilkunde, und wer wie er die Wildnis liebt, wird heilkundig werden. Der Wotan/Odinkult erstreckte sich von Westeuropa nach Sibirien bis ins Himalajagebirge, wo er mit dem Kult des Shiva verschmolz.

Shiva ist Herr der Seelen und der Tiere. Er wird in tiefer Versenkung dargestellt und auch als ekstatischer Tänzer. Er ist Shramana, dessen Hitze das Weltenfeuer entfacht, in dessen Mitte er den ewigen Tanz der Schöpfung und Zerstörung tanzt. Shivas Attribute sind die Schamanentrommel, der Dreizack, Schlangen und Raubtiere. Wild sind seine Haare. Mit Tigerfell bekleidet, bewandert er Berge und Wälder. Sein Phallus (Lingam) bringt allen Wesen Fruchtbarkeit.

Mit dem Kommen der Zivilisation wurden diesen wilden Schamanengöttern der frei lebenden Nomaden strenge, auf Ordnung versessene, transzendente Gottheiten entgegengestellt. Propheten des Nahen Ostens erklärten die alten Schamanengötter zu Teufeln. Shiva, der im Feuer tanzende, Dreizack schwingende Ekstasegott, Wotan mit seinem wilden Heer und andere geweihtragenden Gottheiten wurden damit aus den Menschenseelen verbannt.
 

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