Der Begriff
'Schamanismus' kommt aus der
Sprache des sibirischen Volkes der Tungusen und bedeutet 'Zauberer', 'Beschwörer'
und 'Tänzer'.
Buddhistische Mönche haben dieses Wort nach Sibirien
gebracht. In der Sprache Pali wurden jene Mönche als 'samana' bezeichnet.
Dieses Wort geht auf die Sanskritwurzel 'sramana' (Asket, Übender)
zurück. Und
sramana hat das Verb sram zur Wurzel, was 'üben', 'anstrengen',
'sich
erhitzen' bedeutet. 'Ashram' ist verwandt damit, ein Ort, an dem strenge
Übungen vorgenommen werden.
Die Überlieferungen der Schamanen haben im Laufe der
Jahrtausende viele Sinnbilder, Mythen und Rituale herausgebildet, und deshalb
begegnen wir Europa und Asien dem Wotan/Odinkult sowie dem Shivaismus.
Wotan, der Herr des Zaubers und der Geister, ist ein
alter Schamanengott. Sein Name ist verwandt mit ‚Wut’ –
dh mit innerer Erhitzung, Rausch, Begeisterung, Ekstase. Er berauscht seine
Anhänger und entbindet sie den Bürden der Welt. Er ist der Gott der
Berserker, die sich dem Kampfesrausch hingeben; er ist Gott der Dichter und
Sänger sowie der Mutigen und Verwegenen. Als Met-Trinker ist er Herr des
Rausches, Herr des Übertretens und der Trance.
Odin reitet den achtbeinigen Schimmel Sleipnir, der
mit der Totenbahre gleichgesetzt wird. In der Trance erstarrt man wie im Tode
und in der Ekstase verkehrt man mit Geistern und den Toten. Odin hing am
Lebensbaum und wurde dadurch Herr der Runenweisheit. Er ist auch Herr der
Heilkunde, und wer wie er die Wildnis liebt, wird heilkundig werden. Der Wotan/Odinkult
erstreckte sich von Westeuropa nach Sibirien bis ins Himalajagebirge, wo er
mit dem Kult des Shiva verschmolz.
Shiva ist Herr der Seelen und der Tiere. Er wird in
tiefer Versenkung dargestellt und auch als ekstatischer Tänzer. Er ist
Shramana, dessen Hitze das Weltenfeuer entfacht, in dessen Mitte er den ewigen
Tanz der Schöpfung und Zerstörung tanzt. Shivas Attribute sind die
Schamanentrommel, der Dreizack, Schlangen und Raubtiere. Wild sind seine Haare.
Mit Tigerfell bekleidet, bewandert er Berge und Wälder. Sein Phallus (Lingam)
bringt allen Wesen Fruchtbarkeit.
Mit dem Kommen der Zivilisation wurden diesen wilden
Schamanengöttern der frei lebenden Nomaden strenge, auf Ordnung versessene,
transzendente Gottheiten entgegengestellt. Propheten des Nahen Ostens
erklärten die alten Schamanengötter zu Teufeln. Shiva, der im Feuer tanzende,
Dreizack schwingende Ekstasegott, Wotan mit seinem wilden Heer und andere
geweihtragenden Gottheiten wurden damit aus den Menschenseelen verbannt.