Wir alle
wissen um die Existenz veränderter Bewusstseinszustände, weil wir solche
regelmäßig erfahren.
Wir kennen nicht nur den Wachzustand
unseres Bewusstseins, sondern auch jene Veränderungen, die es im Schlaf- bzw.
im Traumzustand erfährt.
Die meisten wissen um andere
Veränderungen des normalen Geisteszustandes, die uns bei extremer Müdigkeit,
während des Fastens oder in
argen Stresssituationen überkommen.
Einige kennen wieder andere
veränderte Geisteszustände, die durch Entspannungsübungen, Meditation,
Trance oder durch Hypnose induziert werden. Die Psychiatrie beschreibt krankhafte
Veränderungen des
Geistes, wie
z.B. Panikattacken, Paranoia oder Schizophrenie. Daneben existieren
veränderte Geistes- bzw. Bewusstseinszustände, die durch Drogen oder
religiöse bzw. mystische Übungen hervorgerufen werden.
Jene Bewusstseinszustände, welche bei
religiösen oder mystischen Übungen eintreten (können), habe ich in einer
Artikelserie über die Zirbeldrüse - das sog. 'Dritte Auge' - genauer
beleuchtet.
Lies dazu die Artikelserie 'Die
Zirbeldrüse Teil 1 bis 4' >>>
Darin habe ich meiner Überzeugung
Ausdruck verliehen, dass das 'Dritte Auge' auch im Schamanismus eine wichtige
Stellung einnimmt, obwohl in der einschlägigen Literatur kein Hinweis darauf
zu finden ist. Die gegenständliche Serie wird vielleicht mehr Indizien
liefern, die für diese Annahme sprechen.
Der
Schamanismus steht am Anfang der kulturellen menschlichen Entwicklung. Allein
aus diesem Grunde darf mit Fug und Recht angenommen werden, dass die Schamanen
die ersten Menschen auf diesem Planeten gewesen sind, die imstande waren,
willentlich ihren Bewusstseinszustand zu verändern.
Während der sog.
schamanischen Reise richtet der Schamane seine Aufmerksamkeit willentlich nach
innen. In manchen Kulturen wird die Schamanentrommel als Hilfsmittel zum
Einstieg in den Ausnahmezustand (Trance) benutzt. Anderen Kulturen ist die Verwendung
von Musikinstrumenten bei der schamanischen Arbeit gänzlich fremd.
Während der
Reise tritt der Schamane durch bestimmte Entspannungs- und
Visualisierungstechniken immer tiefer in den selbst-induzierten Trancezustand ein. Dabei reduziert sich seine
Wahrnehmungsfähigkeit betreffend seine
reale Umgebung, doch geht diese nicht gänzlich verloren. Obwohl die Trance
während der Reise graduell zunimmt, behält der Schamane eine gewisse
Kontrolle hinsichtlich der Art der inneren
Bilder und Erfahrungen, die während seiner Reise auftreten.
Den
im Trancezustand geschauten Bildern, Geistern, Krafttieren und Welten ist eine
gewisse Spontaneität eigen. Aus diesem Grunde ist die Kontrolle des Schamanen
über jene Wesen nicht
absolut, sondern relativ. Während der Reise kann er zwar bis zu einem
gewissen Grade beeinflussen, wie er auf diese teils fremden Wesenheiten
reagiert, doch er
hat kaum Kontrolle darüber wie jene 'Spirits' auf ihn reagieren.
Obwohl die
reale Umgebung während der Reise weitgehend ausgeblendet ist, gelingt es
vielen Schamanen ihr Bewusstsein zwischen der geistigen Welt, die sie im Trancezustand wahrnehmen,
und unserer irdischen Realität hin und hergleiten zu lassen. Dies ermöglicht
es ihnen, während der Reise mit den
anwesenden Hilfesuchenden zu
kommunizieren.
Die auf Bali praktizierenden schamanischen Geistmedien – hier Balian Taksu genannt – sind
dafür ein gutes Beispiel. Sie gleiten regelmäßig vom Zustand der
tieferen Trance in einen leichtern Trancezustand und umgekehrt. Während der
leichteren Trance teilen sie den Anwesenden jene Informationen mit, die sie
von ihrem 'Taksu' (geistige Entität) von der
'Anderen Seite' betreffend ein anstehendes Problem erhalten haben.
Obwohl die
Aufmerksamkeit des Schamanen nicht auf ein einziges Objekt fixiert ist wie bei
bestimmten Yoga-Übungen, erfordert die schamanische Reise eine starke Konzentration.
Diese schweift aber während der Reise von einem
innerlich wahrgenommenen Objekt zum anderen. Die schamanische Reise selbst
verläuft nicht ruhig
- ganz im Gegenteil: Schamanen kommunizieren dabei mit geistigen Entitäten, mit
Göttern,
Geistern, Dämonen und anderen 'Spirits' und reagieren
bisweilen heftig auf jene inneren Abenteuer, die sie während der Reise
erleben. Die Gefühle, die dabei auftreten können, reichen von Angst und Verzweiflung bis
hin zu den höchsten Wonnen.
Ein besonderes
Merkmal der schamanischen Reise ist die außerkörperliche Erfahrung. Aus
diesem Grunde spricht Eliade von 'archaischen Ekstasetechniken', die der
Schamanismus im Zuge seiner Entwicklung ausgebildet hat. Während der Ekstase
erlebt sich der Schamane als von seinem Körper getrennt. Sein Ätherleib ist
von seinem physischen Körper während der Reise beinahe 'getrennt', dh nur
mit einem hochelastischen geistigen Band - der sog. Silberschnur - mit jenem verbunden. Dies
ermöglicht es dem Schamanen wie dem
Astralreisenden, weit entfernte Gegenden oder andere Welten während der Reise in
Sekundenschnelle zu durchstreifen. Dabei ist sein
Identitätsgefühl aufgehoben. Der Schamane erlebt sich auf der Reise
als ein freier Geist,
der willentlich in andere Welten und Seinszustände eintaucht.
Die
Erlebnisse, welche der Schamane auf seinen Reisen macht, sind vielfältig aber
dennoch geordnet. Sein 'Gehörsinn', seine inneren visuellen Wahrnehmungen
über das 'Dritte Auge' sowie seine Empfindungen bleiben während der Reise
erhalten. Die auf diesen 'Seelenflügen' gemachten Erfahrungen sind sinnvoll, konsistent und stehen
mit dem Zweck der Reise in engem Zusammenhang. Sie dürfen in keinster Weise mit jenen
chaotischen Geistesinhalten verwechselt werden, die während schizophrener
Episoden auftreten. Letztere sind Gegenstand psychiatrischer Forschung.
In Teil 2
werden wir den veränderten Bewusstseinszustand des Schamanen während der Reise mit dem
Geisteszustand des Schizophrenen sowie mit höheren Bewusstseinszuständen des Yoga und der buddhistischen Einsichts-Meditation
vergleichen.
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